Die Sehnsucht, fremde Länder und Kulturen kennenzulernen, treibt viele Menschen in die Ferne. Meine erste Reise nach Tansania 1996 und die Begegnung mit der Lehrerin Anna Mshana und ihrer Familie hat mein weiteres Leben maßgeblich geprägt. So erlebe ich hier die Gastfreundschaft, Freundlichkeit und Warmherzigkeit der Menschen. Ich werde aber auch mit den Sorgen und Nöten der besonders sozial schwachen Familien konfrontiert, die um blanke Existenz kämpfen müssen. Anfangs hatte ich keinen so richtigen Plan, wollte aber unbedingt helfen! Wie will man es nun nennen? Organisationstalent, Glück, viele gute Freunde – aus anfänglicher spontaner Hilfe ist seit 2010 mit der NGO FRI-SUCODE ein beispielhaftes, effizient strukturiertes und arbeitendes Hilfsprojekt entstanden (Informationen über www.nambala-help.org und neuerdings auch über die Facebook-Gruppe „Nachhaltige Hilfe in Tansania“).
Seit 1. Januar 2021 lebe ich nun für drei Monate hier in Nambala, bei der Familie Mshana und bin in dem afrikanischen Familien-Alltag bestens integriert. Natürlich sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie auch hier in Tansania im öffentlichen Leben und Verhalten der Menschen spürbar. Täglich berichten die staatlichen Fernsehsender (ITV und TBC) hier über die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus und über Auswirkungen im Land. Viele Gespräche führe ich mit der Familie Mshana, den Freunden, aber auch mit Reiseveranstaltern zu den täglichen Ereignissen. Obwohl ich in 25 Jahren und inzwischen fast 50 Reisen nach Tansania mit der afrikanischen Lebensart gut vertraut bin, leuchtet mir das Handeln der politischen Verantwortlichen nicht immer ein. Aber von meinen tansanischen Freunden erhalte ich immer erhellende Antworten auf meine Fragen.
In einem Entwicklungsland wie Tansania, wo der Handel und der Warenaustausch existenziell sind, kann der Staat auf die Verbreitung des Corona-Virus nicht mit Lockdown-Maßnahmen, der Schließung von Geschäften, mit Verboten und Zwangsmaßnahmen reagieren. Der Präsident John P. Magufuli, die führenden Kirchenvertreter und Oberhäupter der verschiedenen Glaubensrichtungen appellieren aber zunehmend und unablässig an die Einsicht und (Eigen-)Verantwortung der Menschen, sich selbst und vor allem die Alten und Schwachen vor einer Infektion zu schützen. Dabei wird immer wieder auch auf A/H/M – Abstand, Hygiene und Maske tragen – hingewiesen. Bei Masken reden wir in der Regel von einfachsten Stoffmasken.
Was in den öffentlichen Einrichtungen, wie Hospitälern, Banken und Hotels, bei Geschäften in festen Gebäuden, bei Behörden und Reiseveranstaltern größtenteils funktioniert, ist auf den großen Märkten und im Nah- und Fernbusverkehr kaum umzusetzen. Obwohl es von offizieller Seite keine Angaben zu Corona-Fällen gibt, läuft das öffentliche Leben doch relativ entspannt und unaufgeregt. Es ist aber vermehrt zu beobachten, dass vor allem die Älteren dort Masken immer häufiger tragen. Die Tansanier betrachten das Corona-Virus als eine Krankheit, die wie Malaria, Hepatitis C, HIV, und Tuberkulose nun ihren Alltag mitbestimmen wird.
Der Tourismus ist für Tansania ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der aktuell auf sehr geringem Niveau, mit den entsprechenden Hygienestandards, auch funktioniert. Was mir persönlich aktuell Kopfschmerzen bereitet, ist die zunehmende Zahl von Individual-Touristen, die nach Tansania reisen, die sich zum Teil wenig an die Hygieneregeln halten (wollen). In den Social-Media-Portalen und Facebook-Gruppen zu Sansibar kommt das immer wieder zum Ausdruck.
Weltweit sind ja nahezu alle Laufveranstaltungen in den letzten 12 Monaten abgesagt worden. Der Kilimanjaro-Marathon hat gerade am 28. Februar 2021 stattgefunden. Der Veranstalter hat gezeigt, dass man auch unter Corona-Bedingungen eine sportliche Massenveranstaltung mit 6.000 Laufteilnehmern und einem wohldurchdachten Hygienekonzept durchführen kann.
Schließen möchte ich meinen vielleicht etwas zu ausführlichen Bericht, da bitte ich aber um Nachsicht, mit der Aussage meines Gastvaters Patrick Mshana (73 Jahre):
„Wenn man in Tansania einen Lockdown nach europäischem Maßstab durchführen würde, die Geschäfte schließen, den Warenaustausch auf Märkten einschränken, den persönlichen Kontakt weitgehend unterbinden, dann würden nicht wenige Menschen so darunter leiden, dass das ihr Todesurteil wäre. Gerade die sozial benachteiligten Menschen kämpfen jeden Tag ums Überleben und leben sprichwörtlich von der Hand in den Mund. Das ist die Realität und gilt ja für die Bevölkerung in den meisten afrikanischen Ländern.“
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